"W - double you"
Premiere: April. 2005 / tanzhaus nrw, Düsseldorf
Dauer: ca. 60 Min.
Choreografie: Morgan Nardi
Visuelle Kunst: Naoko Tanaka
Tanz: Nina Patricia Hänel, Coralie Ladame
Licht: Marco Wehrspann, Marc Brodeur
Composition: Jörg Ritzenhoff
Kostüme: Jens Hesse
Koproduziert durch das tanzhaus nrw, Düsseldorf und das Grand Theatre de la Ville de Luxembourg
Gefördert durch die Kunststiftung NRW, den Fonds Darstellende Künste, das Kulturamt der Stadt Düsseldorf
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In weißer Kleidung bewegen sich zwei Tänzerinnen in einem kleinen schwarzen Raum ähnlich einer Dunkelkammer, sodass die Zuschauer sich wie mit einer Lupe auf die beiden Personen konzentrieren können. Dabei handelt es sich nicht um ein Duett im engen Sinn, sondern um ein kurioses Spiel der Zahl 2 in all ihren Möglichkeiten: als Verdopplung von Identität, als Opposition, als Symbol der Ambivalenz und des Dualismus und auch der Komplementarität. Ein wesentlicher Schwerpunkt in der Beschäftigung mit der Zahl 2 bildet für mich der Dialog zwischen dem westlich und östlich orientierten Denken, zwischen trennendem und verbindenden Denken. Nach der östlichen Philosophie sind 2 Individuen ihrer Essenz nach gleich, d.h. es gibt 2 zu beobachtende Phänomene in der Realität, die jedoch in ihrem Wesen eins sind, eine Polarität zwischen unvereinbarer Konfrontation und verschmelzender Vervollkommnung. Wichtig ist mir dabei, die 2 als Zahl in die Realität zu integrieren. Vor dem vermeintlich leeren Hintergrund leuchtet zwischen zweien das bunte Spektrum der Verschiedenartigkeiten auf.
Tourdaten
27. Oktober 2005; Grand Theatre de la Ville, Luxembourg
3. und 4. Juni 2005; Orangerie im Volksgarten, Köln
28., 29., 30. April und 01. Mai 2005; Tanzhaus nrw, Düsseldorf
Presse
Tanz und seine Fragestellungen Dualität
Alter Ego und Doppeldeutigkeit beherrschen das letzte Stück von zwei einzigartigen Künstlern, zwei in einer unvergleichlichen Erfahrung vereinten Protagonisten: Ein Choreograph wählt die Zusammenarbeit mit einem Bildhauer und Maler; der Tanz und sein Schatten entstehen aus einer geheimnisvollen Fragestellung. Das war der Kassiopeia, das wie eine doppeldeutige Konstellation in der einen wie in der anderen Richtung gelesen werden kann, die Verdoppelung, der Schatten, dieses Gegenstück zu mir selbst: Das ist es, was die Atmosphäre dieses neuen Stücks ausmacht, das zusammen von vier Händen für zwei Körper geschrieben wurde. Ein hybrides Stück mit zwei Köpfen, das von dem Choreographen Morgan Nardi und dem Bildhauer Naoko Tanaka erdacht wurde. Eine ungewöhnliche Begegnung - das bereits in dem vorherigen Stück dieser Hydra mit zwei Köpfen, Songofmyself, im Jahre 2003 vorweg genommen wurde - und das sich hier während einer ungewöhnlichen Vorstellung zwischen Tanz und Video, Skulptur des Raums und tanzenden Körpern fortsetzt.
Den Blick bannen
Zwei in weiß gekleidete Tänzerinnen in einem vollkommen abgedunkelten, undurchdringlich schwarzen Raum. Der Zuschauer versucht, seinen Blick durch eine extreme Konzentration auf diese kaum wahrnehmbaren Körperflächen zu bannen, deren Konturen sich abheben und sich dank der Anstrengung des Zuschauers allmählich in ihrem Erscheinungsbild oder ihrer vermuteten Enthüllung preisgeben... Langsam treten die Formen hervor und setzen sich durch, heben sich ab und tragen dazu bei, eine fremdartige spektrale Atmosphäre aus dem Bereich des Übersinnlichen oder des Virtuellen zu schaffen. Als unfassbare Phantome, magische und magnetische Ektoplasmen bewegen sich die Tänzerinnen nach den hier sowohl durch ihre szenographische Seelenverwandtschaft als auch durch ihre geographische Nähe vereinten Urhebern: Nardi und Tanaka arbeiten in der fruchtbaren Bewegung der zeitgenössischen Kunst in Düsseldorf und sind in ihrem künstlerischen Wirken interdisziplinär, pluridisziplinär und allumfassend. Der Tanz tritt hervor, doppelt, verdoppelt, ein Schwindelgefühl mit Echo, wie ein Spiegelbild, ein Widerhall oder ein Schatten, wobei jede Geste in einem Bemühen um Remanenz, der Wiedergabe, der Verdoppelung zum Bildnis des Anderen wird, ohne jemals das Bildnis oder die Wiedergabe des Anderen zu sein. Fabrikationsgeheimnis, Alchimie, Handschrift des Einen und des Anderen - diese traumhafte Choreographie ist ebenso eine Verdoppelung der Identität wie eine Metamorphose: Ambivalenz, Doppeldeutigkeit, Schein - hier kommt alles zusammen, um die reale in die irreale Welt übergehen zu lassen und erstellt weitab von der äußeren Erscheinung eine Bestandsaufnahme der Vermischung und des Übergangs der Kulturen zwischen Orient und Okzident her. Dieses Zwischending ist die Bipolarität, die Zwillingsgemeinschaft, der permanente Übergangszustand. Wie ein Dialog zwischen Tanz und Trance, zwischen realem Bild und künstlichem Bild, Video oder digital, vermittelt das Schauspiel den Eindruck eines langsamen Gleitens, bei dem unser Verständnis von Zeit und Raum in einen die Sinne täuschenden Schwindel hinüber gleitet. Man traut seinen Augen nicht. Es ist ein Wachtraum, den man in atemberaubenden Traumbildern sieht.
Geneviève Charras, La Voix du Luxembourg, 22.10.2005