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Lichttänzerin__
Wie Naoko Tanaka die Bewegung des Auges auf der Bühne beleuchtet

Von Arnd Wesemann
TANZ /03/2015

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Sie war «Die Scheinwerferin» (2011), sie sorgte für «Absolute Helligkeit» (2012).

Wer ihre Performances erlebt, ahnt, dass die Tanzbühne selber träumen kann, dass auch das Theater ein Unbewusstes besitzt, dass die kahlen Orte, die sonst Tänzer mit Körpern und mit Sinn erfüllen, ihr eigenes Leben führen. 
Naoko Tanaka lässt das Licht tanzen. Die Japanerin ist die Scheinwerferin, die mit Lichtstäben und -fäden den Raum ins Wanken bringt. Die Objekte darin stehen wie auf Spitze. Man sieht Schubladen, die auf Schokoladen- Mousse schweben. Stative, deren Arabesque auf einer Windhose aus aufgewirbelten Papieren ruhen. Es gibt keine Stabilität, nirgends. Die Lichtwellen werfen mit Schatten um sich, erzeugen einen Dschungel aus Nachbildern, die sie schon als Kind entdeckte. An sonnigen Tagen betrachtete Naoko ihren Schatten auf der Wiese und wandte ihren Kopf schnell in Richtung Sonne. Da tanzte der Schatten vor ihren eigenen Augen. «Kage Okuri» nannte sie das Spiel, «Schatten senden».

Ihr neues Werk heißt «Unverinnerlicht», uraufgeführt in den Berliner Sophiensælen. Eine Leinwand umkreist den Raum, eben jene Leinwand, die Malern sonst einen stabilen, sicheren Grund bietet. Aber ihre Leinwand tanzt. Und verändert die Sichtweisen. Wie Licht auf einer Nô-Maske dieser mal den Anschein von Freude, mal von Trauer verleiht, ist ihr Licht ein Pinsel. Es malt mit Perspektiven. Tanakas neues Stück entstand während eines Stipendiums in Japan. Bei uns werden Industrieanlagen zu Kulturstätten umgebaut. In Japan sind es Schulen, die man wegen der Bevölkerungsentwicklung zu Kunsträumen deklariert. Dort fand sie Stühle für Sechsjährige, gestaltete sie um, änderte deren Fluchtlinien. 
Die Schatten übersetzen die Manipulation wieder zurück in reale Stühle. Die Realität wird manipuliert, stoisch aber übersetzt das Auge alles wieder zurück ins Gewohnte. Naoko Tanaka hält dagegen, sie bewegt ihren eigenen Körper wie ein Spotlight. Sie tanzt so präzise, dass sie als Lichtträgerin stets genau den Blick erzeugen kann, der eben nicht auf ihren Körper, sondern auf unsere eigene Einbildung zurückfällt. 
Wir sehen auch sonst den Tanz ja nicht als Tanz. Wir sehen, durch den Tanz hindurch, nur das, was wir zu sehen denken. Wir sind Zauberer. 
Naoko Tanaka zeigt: Wir sind Magier unserer Einbildungskraft. 

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